12.12.2019
05:00 Uhr
Nicht ohne meine Antennen
Der Niederauer Karl-Heinz Gottschalk pflegt besondere Kontakte.
Über Funk, bis nach Sizilien. Ganz legal.
So wird’s was mit der Funkerei. Karl-Heinz Gottschalk aus Niederau arbeitet an der Antennenanlage, hier an der Reflektorwandantenne, auf dem Garagendach seines Grundstücks. © Norbert Millauer
Von Ines
Luft 6 Min. Lesedauer
Niederau. Du Omi, ist das hier die
Armee? Der Junge auf dem Beifahrersitz des Kleinwagens staunt. Über einen
Garten auf der Grenzstraße in Niederau mit hohen
Masten und langen Drähten. Die Omi weiß damit auch nicht so richtig was
anzufangen, schaut trotzdem noch mal genau hin. Was das wohl alles für einen
Sinn haben mag?
Karl-Heinz
Gottschalk (60) kennt die fragenden Blicke. Einst lebte er mit seinen Eltern in
dem Haus am Ortsrand. Seit sie verstorben sind, wohnt der gelernte
Teilezurichter allein hier. Mit seinem Hobby, dem Bau von Antennen. 22 solcher
Sende- und Empfangseinrichtungen stehen am Haus. Darunter vier aktive
Sendeantennen für CB-Funk, auch eine Marconi-Antenne, jüngst beim Sturm
umgekippt.
Bei Guglielmo
Marconi kommt der 60-Jährige ins Erzählen. Mit dem Radio-Pionier und Erfinder
der drahtlosen Telegrafie kennt er sich ebenso aus wie mit Heinrich Hertz, der
vor etwa 130 Jahren erstmals Radiowellen im Experiment nachwies. Und damit zu
den Grundlagen beitrug, ohne die es auch die Kurzwellen-Reusenantenne
auf der Garage nicht geben würde, um im CB-Funk zu arbeiten. Dem hat sich der Niederauer nämlich ebenfalls verschrieben. Eine Jedermannfunkanwendung, für Sprechfunk im oberen
Kurzwellenbereich, kostenfrei zu nutzen. Die Reflektorwandantenne
aus Armeebeständen wiederum sorgt in ihrem zweiten Leben, nun ganz zivil, für
Radio- und Fernsehempfang.
Alles Eigenbau,
aber keine Eigenkreationen, sagt Karl-Heinz Gottschalk und verweist auf seine
„Bibeln“, die Antennenbücher des in Fachkreisen bekannten Funkamateurs Karl
Rothammel. Der Antennenbau: Gottschalks Passion seit Jugendjahren. Als zu
DDR-Zeiten im Tal der Ahnungslosen um Leipzig und Dresden Westfernsehen begehrt
war, aber nur inoffiziell zu empfangen, mit Westantenne. Der junge Gottschalk
interessierte sich sehr dafür, wie sich mittels Ochsenkopfantenne – wegen des
Senders auf dem oberfränkischen Berg – Fernsehsignale heranholen lassen. Der
Grundwehrdienst als Wartungsmechaniker auf einer Radarstation kam dem Hobby
ebenfalls zugute. Er könne jede militärische Antenne für den Zivilbereich
umbauen, ist sich der Funkbegeisterte sicher.
Inzwischen
flimmern ARD und ZDF legal auf dem Bildschirm, doch Gottschalks Antennen sind
weiter ein Hingucker. Ihr Erbauer weiß, dass sich viele Gerüchte um sie ranken.
Mancher Mitmensch deutet die Bastelleidenschaft auf seine Weise. Zum Abhören
des Polizeifunks und artverwandter Sender seien die Antennen eingerichtet, sie
dienten der Zusammenarbeit mit Landeskriminalamt und Verfassungsschutz, vor der
Wende sei Gottschalk gar bei der Staatssicherheit gewesen.
Ins Gesicht habe
ihm das noch niemand gesagt, zu Ohren gekommen sind ihm die Spekulationen
schon, sagt der 60-Jährige und weist das alles energisch zurück. Damit habe er
nie was im Sinn gehabt. Aber die bösartigen Unterstellungen führten sogar schon
die Behörde zu ihm, ist sich der sportlich-schlanke
Mann sicher. Vor nicht allzu langer Zeit klingelten zwei Herren von der
Bundesnetzagentur. Wollten sich überzeugen, dass alles ordnungsgemäß zugeht bei
Antennen, Amateur- und CB-Funk. Ihr Protokoll verzeichnet weder technische
Mängel noch Gefahr für Leib und Leben, beispielsweise durch die
elektromagnetische Strahlung, oder verbotene Technik.
Auch mobil unterwegs ist er mit seinem Hobby, hat eine CB-Funkanlage auf den Gepäckträger seines Fahrrads montiert. © Norbert Millauer
Obwohl der
Hobbyfunker beruhigt ist, weil er es sogar von oben hat, nichts Unerlaubtes zu
machen, ist ihm der Amtsbesuch Anlass, sich noch intensiver mit dem
Rechtsrahmen für sein Tun zu beschäftigen. Er nimmt sich sämtliche Gesetze zu
Funk und Amateurfunk vor. Einige hat er jederzeit zur Hand. Sie finden sich wie
Basis-Literatur zur Funkerei in einem speziellen
Raum. Gottschalks Augen leuchten, als er sich dahin aufmacht. In sein
Allerheiligstes, das Funkerzimmer. Auch hier wieder
Antennen, deutlich kleiner als vorm Haus. Funkgeräte, Rundfunkempfänger aus den
60er-, 70er-Jahren. Alles funktioniert, stammt wie das Material für die
Antennen von Wertstoffhöfen und Recyclingfirmen.
Gottschalk
schaltet das CB-Funkgerät ein, drückt die CQ-Taste. Bedeutet: Ein allgemeiner
Anruf. Dann die direkte Anrede: Hier spricht die Schwarze Mamba, ist jemand
QRV, also in Bereitschaft? Wie weit er mit seinem Ruf kommt, hängt auch von der
Raumwelle ab. Die breitet sich bis in die Ionosphäre aus, wird reflektiert,
führt zur Erde zurück, ermöglicht Sprünge bis 1.200 Kilometer. Erreicht sein
Signal sie, trifft Gottschalk schon mal einen russischen oder lettischen
Teilnehmer an. Vnimanie, Vnimanie,
dorogie drusja. Achtung,
Achtung, liebe Freunde. Hier ist Karl-Heinz. Die Vokabeln sitzen.
Über eine der
Raumwellen, die sich von Mai bis Mitte September über Europa öffnen, ist er
bereits im russischen Taxifunknetz gelandet, als in Sankt Petersburg eine Lena
gerade eine Taxe anfordert. Auch Stationen in England, Mazedonien, Sizilien
lassen sich auf diese Weise ansprechen. Im November eher nicht. Und heute
Vormittag bleibt es sowieso ruhig im Äther.
Während
Gottschalk im CB-Funk zu günstigeren Tageszeiten mit anderen Teilnehmern oft
und gern redet, darf er beim Amateurfunk nur mithören, eine Amateurfunklizenz
besitzt er nicht. Würde er trotzdem aktiv werden, drohen drakonische Strafen.
Absägen der Antenne, Einziehen des Geräts. Deshalb hat er die Sprechtaste
gleich entfernt. Die Amateurlizenz kostet so viel wie eine Fahrerlaubnis,
verlangt noch viel mehr Theorie-Wissen.
Zuhören macht
ebenfalls Spaß, fürs Reden hat er ja den CB-Funk. Auch wenn da im Moment keine
Unterhaltung zustande kommt, das Krachen und Quietschen aus dem Gerät aufs Ohr
drückt – in dem kleinen Funkerraum entsteht eine
Anmutung von weiter Welt, von fast magischer Ferne. Die Freude darüber, über
große Strecken Kontakte aufbauen zu können, ist Gottschalk allein beim Erzählen
anzusehen.
Auch kleinere
Reichweiten haben ihren Reiz. Doch die Deutschen kommen erst abends, nach der
Arbeit, an ihre Funkgeräte, weiß Karl-Heinz. Und worüber reden sie dann?
Natürlich über die Technik, die Funkerei. Ab und an
über ganz Persönliches, über Zipperlein, Gesundheitsprobleme. Ist ihm etwas zu
viel, schaltet der Niederauer schon mal ab. Wie jetzt
– weil um diese Vormittagsstunde die Gesprächspartner ausbleiben. Und weil er
noch seine neueste Errungenschaft vorstellen will: eine Fahrradantenne. Schnell
schiebt er das Rad raus aus dem Schuppen. Hier ist alles dran. Funkgerät,
Stromversorgung, Transformator. Damit war er schon weit über seinen Stammsitz
hinaus unterwegs. So auf der Radeburger Straße in Gröbern, wo er sich durchs Elbtal bis nach Heidenau
verständigt hat. Das Beste: Er kann auch im Fahren sprechen, sozusagen als
Zweiradfunker.
Wer neugierig
geworden ist und noch mehr wissen will über die Funkerei,
der kann sich bei ihm melden: Karl-Heinz Gottschalk, 01689 Niederau,
Grenzstraße 17